Workshop Wettbewerb und Vergabe 2022

Text: Dr. Andreas Kriege-Steffen

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause konnte am 30. September im Haus der Architekten der »Workshop Wettbewerb und Vergabe« stattfinden. Das gut sechsstündige Programm mit Vorträgen zu aktuellen Wettbewerbs- und Vergabeverfahren sowie themenbezogenen Workshops war vom Ausschuss für Wettbewerb und Vergabe der Architektenkammer Sachsen organisiert worden. Es fand ein reger Austausch der fast 50 Teilnehmer:innen aus den unterschiedlichsten beruflichen Bereichen mit Bezug zu den Vergabethemen statt.

In seinen einleitenden Ausführungen stellte der Vorsitzende des Ausschusses, Christian Steinborn, die Ausschussmitglieder und im Anschluss die registrierten Wettbewerbe nach RPW in Sachsen vor. Trotz eines erkennbar positiven Trends in Bezug auf die durchgeführten Wettbewerbe im laufenden Kalenderjahr liegt Sachsen damit – im Vergleich zu anderen Bundesländern – immer noch auf den hinteren Rängen. Daneben konnte Herr Steinborn anhand aktueller Ausschreibungen auf häufig anzutreffende zu hohe und zu komplexe Eignungs- und Zuschlagskriterien hinweisen.

Diese entsprächen häufig nicht den eigentlichen Planungsaufgaben und führten darüber hinaus zu unnötigem Aufwand für alle Beteiligten am Verfahren.
Nach diesem kurzen Einblick in das Wettbewerbswesen in Sachsen schlug Benjamin Hossbach, Architekt und geschäftsführender Gesellschafter im Berliner Büro [phase eins], mit Ausführungen zu weltweit durchgeführten Verfahren und Wettbewerben einen großen Bogen zu möglichen Verfahrensarten, zu Kriterien und zu relevanten Projektbausteinen im Wettbewerbs- und Vergabemanagement. Mit pointierten und vielfach anhand von Praxisbeispielen belegten Aussagen wies er auf wesentliche Meilensteine und auf Herausforderungen der Auslober:innen als auch auf Seiten der Verfahrensbetreuung hin. Der bisher in der Praxis eher unübliche Wettbewerbliche Dialog nach VgV wurde in diesem Rahmen anhand einer Planung für ein Krankenhaus vorgestellt. Trotz der, dem Inhalt dieses Vergabeverfahrens geschuldeten hohen Verfahrenskosten zeigte sich Herr Hossbach positiv beeindruckt über die Ergebnisse dieses Verfahrens.

Detaillierte Ausführungen zu unterschiedlichen Kriterien im Rahmen der Vergabeverfahren, die von Eignungs- über Auswahl- bis hin zu Bewertungs- und Zuschlagskriterien reichten, führten im Anschluss zu konkreten Rückfragen und ebenso präzisen Antworten. Herr Hossbach betonte dabei mehrfach die Relevanz eines ehrlichen und offenen Umgangs aller Projektbeteiligten miteinander sowie die Notwendigkeit einer umfassenden, umfangreichen Auslobung samt Anlagen. Dies gelänge nur, wenn bereits vor Beginn der Arbeiten an den Vergaben die wesentlichen Projektziele gemeinsam mit der Auslober:in und der Nutzer:in festgelegt würden. Später viel diskutiert wurden die unterschiedlichen mathematischen Möglichkeiten, mit denen das Honorar im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens bewertet werden kann.

Sodann gab Boris Harbaum einen kurzen Überblick über den Aufbau des noch recht jungen Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung und seine Aufgaben im Referat 52 - Stadtentwicklung und EU-Förderung. Danach erläuterte er das EU-finanzierte Landesprogramm EFRE-Stadtentwicklung in Sachsen in Bezug auf die Vergabe von Planungsleistungen. Als Architekt in diesem Ministerium zeigte er den aktuellen Stand der Förderrichtlinie EFRE und in diesem Rahmen auch die in die Zuwendungsvoraussetzungen neu aufgenommene Erfordernis von Planungswettbewerben. Da neben vielen Wettbewerbs- und Verfahrens- betreuer:innen und Architekt:innen auch Vertreter:innen der antragberechtigten Kommunen (mind. 5.000 Einwohner:innen) anwesend waren, konnte gerade dieser Vortrag einige bisher wenig beantwortete Fragen zur neu anlaufenden, bis 2027 geltenden EFRE-Förderperiode beantworten. Das Mittelvolumen für dieses gebietsbezogene Förderprogramm der nach- haltigen integrierten Stadtentwicklung beträgt für die genannte Förderperiode ca. 180 Mio. Euro. Die Architektin Ulrike Poeverlein, neben ihrer Tätigkeit bei MPArchitekten in Berlin auch Geschäftsführerin von EUROPAN Deutschland, thematisierte im Anschluss überzeugend, wenn auch nicht unwidersprochen, die Kostensicherheit im Rahmen von Realisierungswettbewerben. Anhand der Betreuung und der Vorprüfberichte für den Neubau der Gustav-Hermann-Schule in Berlin als eines von drei Pilotprojekten wurde vor allem in der anschließenden Diskussion klar, wie schwierig sich die Bewertung von Bau- und Unterhaltskosten im Rahmen einer Preisgerichtssitzung gestalten kann, da viele kostenrelevante Details zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststehen. Mit Bezug auf ein Zitat des Darmstädter Architekten und Hochschullehrers Max Bächer (1925–2011) konnte die Referentin untermauern, dass erst der Vergleich die Bewertung eines Entwurfs und seiner Kennwerte sowie in diesem Rahmen auch der Kosten ermögliche.

Den letzten Vortrag des Tages hielt der Justiziar der Architektenkammer Sachsen, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Verwaltungsrecht, Rainer Fahrenbruch. Er erläuterte die rechtlichen Grundlagen einer Festpreisvergabe. Die Teilnehmenden am Vergabeverfahren bieten keine unterschiedlichen Preise an, sondern die Auftraggebenden setzen die Preise fest; deshalb: »Festpreisvergabe«. Im VgV-Verfahren entscheidet dann nur die Leistung und nicht der Preis über den Zuschlag. Die praktischen Anwendungsfälle können von der Vorgabe einer Abrechnung nach § 6 HOAI mit oder ohne Festlegung von Honorarberechnungsparametern (z. B. anrechenbare Kosten, Honorarzone oder Honorarsatz) bis zum reinen Pauschalpreis gehen. Interessant in diesem Kontext war ein von ihm vorgestellter Erlass des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom Februar 2020, mit dem die vorgestellte Festpreisvergabe (Berechnungshonorar nach HOAI mit Vorgabe von Honorarberechnungsparametern) für große Teile der Bautätigkeit des Freistaates Sachsen zum Regelverfahren gemacht wurde.

Die von den vier Referent:innen behandelten Themenblöcke »Wettbewerbs- und Vergabeverfahren«, »Förderrichtlinien und Vergabe«, »Kostensicherheit in Wettbewerbsverfahren« und »Leistungswettbewerb durch Festpreisvergabe« wurden im Anschluss in Teams von ca. zehn Personen, moderiert von Mitgliedern des Ausschusses für Wettbewerb und Vergabe, intensiv diskutiert und am Ende des Workshops von Christian Steinborn, Ulrich Krüger und Rico Schubert gemeinsam vorgestellt.

So wünschten sich viele Beteiligte einfachere und besser strukturierte Wettbewerbs- und Vergabeverfahren. Die anwesenden Wettbewerbs- und Verfahrensbetreuer:innen konnten aufzeigen, dass häufig vermeintliche Risiken der Wettbewerbe im Vergleich zu den vielfach durchgeführten Verhandlungsverfahren nach VgV nicht der Verfahrensart geschuldet waren, sondern häufig u.a. auf unvollständige Auslobungsunterlagen oder die fehlende umfassende Integration der Nutzer:innen im Rahmen der Bedarfsplanung zurückzuführen sind.

In Bezug auf die bis 2027 geltende EFRE-Förderrichtlinie ist zu erwarten, dass viele der geförderten Vorhaben nicht im Planungsbereich Hochbau liegen werden und sich dementsprechend nicht zwingend eine deutliche Mehrung der Wettbewerbe aus ihrer Anwendung ergeben wird. Jedoch bestünde vor allem im Bereich der Freiraumplanung viel Potenzial, aufgrund dieser neuen Förderbedingungen entsprechende Wettbewerbe durchzuführen. Angeregt wurden daneben auch vertiefende Informationen für die Kommunen zu konkreten Fragen der Umsetzung dieses Aspektes der Richtlinie. Dabei könnte auf bestehende Beratungsangebote der Architektenkammer Sachsen zurückgegriffen werden.

Der Begriff der Kostensicherheit im Wettbewerbswesen sollte, so die übereinstimmende Meinung der im Workshop Beteiligten, durch den Begriff des Kostenbewusstseins ersetzt werden. Eine wirkliche Kostensicherheit mit den in der Leistungsphase 2 üblichen Toleranzen einer Kostenschätzung sei im Planungswettbewerb nicht erreichbar. Jedoch ermögliche gerade die vergleichende Darstellung der unterschiedlichen Kennwerte und Kosten eine projektspezifische Bewertung. Zusammen mit einem entsprechenden Risikobudget sowie der Aufnahme ergänzender Besonderer Leistungen in der Leistungsphase 2 in das Vertragswerk, wie beispielsweise der Variantenuntersuchung einzelner Bereiche, könnte jedoch auf kritische kostenrelevante Aspekte reagiert werden. Zum letzten Tagungspunkt, der Festpreisvergabe, gab es lebhafte Diskussionen über die Frage, wie sich die Festsetzung eines Festpreises (oder Honorarsatzes) auf das Vergabeverfahren auswirken kann: Erhöht beispielsweise eine niedrige Festpreisvorgabe die Chancen kleiner Büros, den Zuschlag zu erlangen? Erhöht eine hohe Festpreisvorgabe die Chancen großer oder spezialisierter Büros, den Zuschlag zu erhalten? Überwiegend erhielt das Thema aber positive Resonanz, denn die Festpreisvergabe scheint ein gutes Instrument zu sein, tatsächlich den Leistungswettbewerb durchzuführen.

Insgesamt zeigten die regen Diskussionen aller Beteiligten in und zwischen den einzelnen Themenblöcken, dass der mit dem Workshop angeregte Austausch der an Wettbewerben und Vergabeverfahren involvierten Personenkreise stattfand. Es bleibt zu hoffen, dass bei zukünftigen Veranstaltungen vermehrt Vertreter:innen der auslobenden Stellen die Chance einer Fortbildung zu diesem wichtigen Baustein nutzen werden.